Södra Kungsleden – Fernwandern in Schweden Teil II
Episode 5
27. Februar 2022
Normalerweise bin ich ja nicht so der Hotelurlauber! Und schon gar nicht ‚All Inclusive‘! Aber wenn man 10 Tage lang nasse Füße hat, kann einen schonmal die Sehnsucht nach einem 5-Sterne-Hotelzimmer auf den Malediven ereilen … oder zumindest in der Türkei! In der Wildnis wird man ja immer bescheidener.
An Tag sechs, sieben und acht ist nicht wirklich viel passiert. Ich traf keinen einzigen Menschen, wanderte durch verregnete Wälder und freute mich jedes mal wie Bolle, wenn ich ein Haus mit einem Ofen oder wenigstens einen Windfang mit ein bisschen Holz vor der Hütte erreichte. Hin und wieder musste ich auch hacken und sägen, da dies so früh in der Saison noch keiner gemacht hatte.

Am 9. Tag wollte ich bis nach Grövelsjön laufen, die Mitte des südlichen Kungsledens. Dort starten die meisten Wanderer erst den Weg und laufen dann hoch bis nach Storlien. Es soll der schönste Teil des südlichen Kungsledens sein – und der meist begangene. Die Strecke von Sälen bis nach Grövelsjön – der Teil, den ich gelaufen bin – ist der am wenigsten begangene vom gesamten Kungsleden. Nun, nach mittlerweile 170 Kilometern durch den schwedischen Sumpf, weiß ich auch warum. Ich traf insgesamt nur drei Menschen und es gab keine einzige bewirtschaftete Hütte. Aber das wusste ich ja vorher, deshalb ist der Rucksack auch so schwer gewesen.
10 Kilometer vor Grövelsjön erreichte ich dann eine Hütte, in der ich die letzte Nacht verbrachte. Nur wenige Minuten nachdem ich die Hütte erreicht hatte, gesellte sich ein Wanderer aus Bayern dazu. Und am nächsten Morgen eine Wanderin – ebenfalls aus Deutschland. Um Gewicht zu sparen ernährte sich der Bayer nur von Schokolade, und die junge Frau hatte nur noch einen Kilo Nüsse übrig. Gott sei Dank war der nächste Supermarkt nur einen 3-Stunden-Marsch entfernt! Aber naja, Erdnüsse zum Frühstück sind auch nicht so das gelbe vom Ei. Eier … was würde ich nur für ein 7-Minuten-Ei geben. Das Eiweiß schon hart aber das Eigelb noch wachsweich … mit ein bisschen Salz. Das wärs jetzt! Aber wir werden uns noch ein wenig Gedulden müssen.


Am nächsten Morgen hatten wir alle das selbe Ziel: Grövelsjön. Trotz Gesellschaft kamen mir die letzten 10 Kilometer aber trotzdem eher vor 100. Die letzten Meter sind ja immer die schwersten. Nur wenn man im Flieger sitzt, geht der Rückflug immer viel zu schnell!
Obwohl der Rucksack jeden Tag leichter wurde, hatte ich das Gefühl, er würde mit jedem Kilometer ein bisschen schwerer werden. Die Schilder mit den Kilometerangaben bis zur nächsten Hütte kamen mittlerweile schon alle 2 Kilometer – sonst waren immer vier dazwischen. Dass man sich hier in der Nähe der Zivilisation befindet, spürte man schon deutlich. Alle paar Minuten kamen uns Menschen entgegen. Die meisten von Ihnen grüßten aber nicht einmal.
Komisch! So unhöflich die Leute!
Sowas hatte ich bisher auf dem Kungsleden noch nicht erlebt.
‚Wahrscheinlich laufen die alle gar nicht den Kungsleden, sondern unternehmen nur eine Tageswanderung.‘
Die Rucksäcke wären auch viel zu klein dafür. Und kleine Kinder hatten sie dabei. Manchmal waren es sogar ganze Familien mit Hunden.
‚Wie sollen die alle in ein Zelt passen?‘, fragte ich mich.

Die Stimme in meinem Kopf hörte nicht auf zu plappern. Mit irgendwem muss man schließlich reden, wenn man mitten durch die Pampa läuft.
Die letzten Kilometer ging es nur bergab – endlich raus aus den Bergen! Ich mag bergab laufen nicht. Das geht so sehr auf die Knie und mit dem Bein habe ich seit meinem Unfall sowieso Probleme. Egal. Du musst weiterlaufen. Du willst ins Hotel. Und ein heißes Bad. Oder zumindest eine Dusche … Ich sagte ja bereits: Man muss bescheiden bleiben!
Wir mussten uns auch ein wenig beeilen, da in Grövelsjön nur zwei Mal täglich der Bus nach Mora fährt – der nächst größeren Stadt in der Umgebung. Den ersten um 7 Uhr morgens haben wir natürlich nicht gekriegt. Mittlerweile war es schon 12 Uhr mittags, der zweite und letzte Bus fuhr um 14 Uhr, und es waren noch 4 Kilometer zu gehen. Bei unserem Tempo bräuchten wir dafür mindestens drei Stunden, dachte ich.
Letzten Endes haben wir es natürlich geschafft. Um 14 Uhr saßen wir im Bus nach Mora und um 18 Uhr im Hotelzimmer. Kungsleden – geschafft. Wieder mal.
Nie wieder.
